Karen Pryor
eine Buchbesprechung von Andrea Wanek
Ein muss für alle Trainer! Dieses Buch handelt davon, wie man Mensch und Tier formen kann, dass zu tun, was man von ihnen erwartet. Wie Sie das Verhalten Ihres Haustieres, Ihrer Kinder Ihres Chefs, etc. beeinflussen können durch die Prinzipien des Lernens und durch Bestärkung.
Diese Prinzipien sind Gesetze, so wie die Gesetze der Physik. Jeder, der den Versuch unternimmt, ein Verhalten bei sich
selbst oder anderen zu ändern, bedient sich bewusst oder unbewusst dieser Gesetze und Regeln.
Normalerweise wenden wir die Prinzipien nicht richtig an. Wir drohen, wir streiten, wir üben Zwang aus oder entziehen
etwas. Wir stürzen uns auf andere, wenn etwas schief läuft, und verpassen die Gelegenheit, zu loben und wenn die Dinge
gut laufen passiert nichts - kein Lob, keine Anerkennung.
Die Regeln der Bestärkung sind einfach; sie lassen sich alle in 10 Min. auf eine Tafel schreiben und innerhalb einer Stunde erlernen. Sie anzuwenden, ist schon eher eine Herausforderung. Training durch Bestärkung ist wie ein Spiel - ein Spiel, bei dem schnelles Denken gefordert ist. Das System der Bestärkung funktioniert nicht mit Belohnung und Strafe (erfolgt meist nach einem Verhalten), sondern eine Bestärkung erfolgt während eines vom Ausbilder erwünschten Verhaltens, wie ein Lächeln oder ein freundlicher Klaps, oder auch eine "negative" Bestärkung, also etwas, was man vermeiden will, wie ein Rucken an der Leine oder ein Stirnrunzeln.
Zeitlich korrekt angewendet, funktioniert das Training durch Bestärkung: es verändert ein Verhalten! Das Training durch Bestärkung löst nicht alle Probleme - Ihr Bankkonto wird dadurch nicht fetter, eine schlechte Ehe nicht gerettet, schwere Persönlichkeitsstörungen werden damit nicht überwunden. Manche Verhaltensweisen haben bei Menschen oder Tieren auch genetische Komponenten, die durch Training nur schwer oder gar nicht zu verändern sind.
All das, was in Verbindung mit einer Handlung dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine solche Handlung
wiederholt wird.
Positive Bestärkung kann Futter, Streicheln oder Lob sein, während einer negativen Bestärkung, etwas ist, was der Hund
vermeiden will - ein Schlag, ein Stirnrunzeln, ein unangenehmer Ton etc. Wenn wir in Zukunft über Bestärkung sprechen,
dann meinen wir immer die positive außer, es wird ausdrücklich die negative erwähnt. Der Unterschied zwischen negativer
Bestärkung und Bestrafung liegt darin, dass eine negative Bestärkung während eines Verhaltens erfolgt und nicht zu einem
späteren Zeitpunkt, und dass sie durch eine Verhaltensänderung des Hundes "abgestellt" werden kann.
Timing:
Eine zu spät gegebene Bestärkung ist das größte Problem, dem sich ein Anfänger gegenübersieht. Der Hund setzt sich. Bis
der Besitzer aber "Guter Hund!" sagt, ist der Hund schon wieder aufgestanden. Wofür denkt der Hund, hat er das
"Gute Hund!" bekommen? Für das Aufstehen. Zu frühes Bestärken ist gleichermaßen unwirksam. Der dafür verwendete Begriff
lautet "Bestechung". Beim Training durch negative Bestärkung ist das Timing genauso wichtig. Trainer, die Futter als
Bestärkung bei Tieren verwenden, wissen anfangs oft nicht, wie groß jede einzelne Bestärkung sein sollte. Die Antwor
ist: So klein, wie es eben geht. Je kleiner die Bestärkung, desto schneller wird das Tier sie essen. Damit reduziert
sich nicht nur die Wartezeit, es können pro Trainingseinheit auch mehr Bestärkungen gegeben werden, bevor das Tier
gesättigt ist. Bestärkung außer der Reihe: der Jackpot = eine viel größere Belohnung, als die normale Bestätigung, die
für den Hund überraschend kommt. Ein Jackpot kann für einen plötzlichen Durchbruch eingesetzt werden und paradoxerweise
kann ein einzelner Jackpot auch zur Verbesserung der Reaktion eines widerspenstigen, ängstlichen oder aufsässigen
Hundes hilfreich sein, der überhaupt kein gewünschtes Verhalten zeigt.
Insbesondere beim Einsatz von Futter als Bestärkung ist es häufig absolut unmöglich, die Bestärkung in dem Moment zu dem Hund zu bringen, in dem dieser das Verhalten zeigt, das man unterstützen will. Zur Lösung dieses Problems setzen wir so genannte konditionierte Bestärker ein. Er ist ein anfangs bedeutungsloses Signal (Ton von Pfeife, Klicker, Wort; Licht; Bewegung), das mit dem Eintreffen einer Bestärkung (Futter, Lob, Streicheln) bewusst verknüpft wird. Auch Lob "good boy" kann als konditionierter Bestärker eingesetzt werden, jedoch falsches oder bedeutungsloses Lob wird jedoch, auch von ganz kleinen Kindern, schnell verübelt und verliert die Kraft seiner Bestärkung. Ebenso kann man einen konditionierten negativen Bestärker, ein sehr nützliches Instrument sein. Kinder und auch einige Hunde reagieren sofort auf ein scharfes, lautes "Nein!", ohne es mit etwas anderem zu verknüpfen.
Eine dauerhafte Bestärkung ist nur im Lernstadium erforderlich. Loben Sie ein Kleinkind, weil es auf den Topf geht. Hat es das Verhalten einmal gelernt, läuft die Sache ganz von allein. Um ein fast erlerntes Verhalten mit einem gewissen Maß an Zuverlässigkeit beizubehalten, ist eine gelegentliche, willkürliche und unvorhersehbare Bestärkung einzusetzen. = variable Bestärkung. Die Kraft der variablen Belohnung ist der Ursprung allen Spiels. Käme jedes Mal eine Mark heraus, wenn Sie einen Groschen in den Spielautomaten steckten, würden Sie bald das Interesse verlieren. Je länger diese variable Bestärkung andauert, desto wirkungsvoller leibt das Verhalten erhalten. Versuche Sie allerdings ein Verhalten zu löschen, arbeitet es eine lange Zeit gegen Sie. Ohne Bestärkung wird ein Verhalten wahrscheinlich von selbst aufhören. Keine variable Bestärkung, wenn der Hund z. B. aus mehreren Gegenständen, jenen heraussuchen muss, der nach dem HF riecht. Hier muss sofort und jedes Mal bestätigt werden, damit der Hund nicht verwirrt wird.
Sind die Zeiträume bis zu einer Bestärkung extrem lang, kommt manchmal der Punkt, an dem das Verhalten verschwindet bzw. lässt sich das Phänomen, des langsamen Beginns feststellen. Daher Bestärkungen zwischendurch einbauen.
Sich selbst zu bestärken, ist eine der wirksamsten praktischen Anwendungen. Dies zu tun, versäumen wir häufig - teilweise, weil es uns nicht in den Sinn kommt, zum Teil auch deswegen, weil wir dazu neigen, von uns eine ganze Menge mehr zu verlangen, als wir es von anderen tun würden.
Wie veranlassen sie einen Hund, Saltos rückwärts zu machen? Unter Formen versteht man einen ganz kleinen Ansatz eines
Verhaltens in die richtige Richtung aufzunehmen und jeweils in kleinen Schritten zum endgültigen Ziel zu führen.
Wollen wir Neues nicht immer so schnell wie möglich lernen - Ski fahren, Klavier spielen usw.? Natürlich wollen wir das,
und an dieser Stelle setzt gutes Formen ein. Wollen wir darüber hinaus nicht so wenig wie möglich üben oder
Wiederholungen überhaupt vermeiden? Hier lautet die Antwort ebenfalls "Ja". Natürlich müssen einige körperliche
Fertigkeiten eingeübt werden, denn die Muskeln "lernen" langsam und wir müssen Bewegungen mehrfach wiederholen, bevor
sie leicht vonstatten gehen. Immerhin kann ein gut geplantes Programm das Ausmaß der notwendigen Wiederholungen
senken.
Generell sind diese Fragen der Intuition und der Erfahrung der Trainer oder Lehrer oder auch dem Zufall und dem Glück
überlassen. Die erfolgreiche Anwendung solcher Prinzipien macht den Unterschied zwischen einem fröhlichen, schnellen und
erfolgreichen Formen und einem frustrierenden, langsamen, langweiligen und unangenehmen. Erst ein gutes Formen, und
nicht nur gute Methoden, machen ein Training erfolgreich.
Die 10 Regeln des Formens:
Das zuletzt gezeigte Verhalten ist, das was dem Hund im Gedächtnis bleibt. Deshalb sollte es immer eine gute Leistung sein, die entsprechend bestärkt werden kann. Allzu häufig geschieht es aber, dass wir drei oder vier gute Reaktionen bekommen - der Hund apportiert wunderbar - und wir sind dann so erfreut, dass wir es noch einmal und immer wieder sehen oder tun wollen. Also wiederholen wir das Verhalten oder versuchen es wenigstens. Der Hund ist aber erschöpft, das Verhalten wird immer schlechter, die Fehler häufen sich, Korrekturen und Schimpfen treten immer öfter auf, die Trainingssitzung war für die Katz.
Reize sind all das, was irgendeine Reaktion hervorruft.
Reize können ohne vorausgegangenes Lernen oder Training Reaktionen verursachen. Wir blinzeln bei grellem Licht und
lassen uns von einem appetitlichen Duft gerne in die Küche locken. Tieren geht es ebenso. Solche Geräusche, Lichter und
Gerüche bezeichnet man als unkonditionierte oder primäre Reize.
Andere Reize werden durch Verknüpfung gelernt. Jeden Tag reagieren wir auf eine Vielzahl gelernter Signale
(Telefonklingeln, Ampel etc.), die als konditionierte oder sekundäre Reize bezeichnet werden.
Die vollständige, perfekte Reizkontrolle ist durch 4 Bedingungen definiert, die jeweils als gesonderte Trainingsaufgabe angegangen werden müssen, als einzelne Bestandteile des Rezepts, das man Formen nennt:
Wie bekommt man den Hund dazu sich so rasch wie möglich hinzusetzen und das Dummy so rasch wie möglich zurückzubringen?
Verhaltensketten: verschiedene Verhaltensweisen die hintereinander auftreten wie z.B. beim Apportieren. Hund sitzt in Grundstellung, läuft zum Apportiergegenstand, nimmt ihn auf, dreht um, läuft zum HF, setzt sich, gibt aus und geht wieder in die Grundstellung.
Wenn sich in der Verhaltenskette aber ungelernte Elemente befinden oder solche, die nicht unter die Reizkontrolle gebracht wurden, brechen die Verhaltensketten zusammen, und das Verhalten zerfällt insgesamt in Einzelteile. Es ist unmöglich, den Hund mit einem Signalwort zu bestärken, das er als solches nicht erkennt und dessen Bedeutung für die Ausführung eines Verhaltens er nicht kennt. Dies bedeutet, dass Verhaltensketten immer rückwärts trainiert werden sollten. Beginnen Sie also mit dem letzten Verhaltenselement der Kette und bestärken Sie dieses.
Ein Phänomen der Reizkontrolle ist, dass just in dem Augenblick, in dem der Hund eine leichte Reaktion auf dieses Signal zu zeigen scheint, hört er nicht nur unvermittelt auf, darauf zu reagieren, sondern reagiert überhaupt nicht mehr. Er verhält sich so, als ob er niemals zuvor etwas von dem gehört hätte, wozu man ihn einmal geformt hat. Für den Trainer eine sehr entmutigende Situation. Fährt man aber unbeirrt fort, kommt die Erleuchtung: Plötzlich springt der Hund vom völligen Versagen auf eine in der Tat sehr gute Reaktion. Das Verhalten ist nun unter Reizkontrolle.
Menschen und Tiere tun immer Dinge, von denen wir wünschten, sie täten sie nicht. Es gibt 8 Methoden, dieses Verhalten zu verändern. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob es sich um ein lange bestehendes Verhalten handelt, oder um ein kurzfristiges. Was auch immer Sie dagegen tun werden, es wird eine Variation dieser 8 Methoden sein.
Ein Trainingssegment das gelegentlich zur Erhöhung der Motivation eingesetzt wird ist der ENTZUG. Entzug für Futter, Aufmerksamkeit, Gesellschaft oder irgend etwas anderem, was der Trainierte mag oder braucht, vor Trainingsbeginn zu reduzieren - allein um die Bestärkung kraftvoller zu machen, indem der Trainierte bedürftiger gemacht wird -, ist eine magere Entschuldigung für ein schlechtes Training.