Andrea Wanek
Beim letzten Züchterseminar wurde wieder die Frage ob man Wärmelampen benutzen sollte diskutiert.
Da ich mich für optimale Zuchtbedingungen interessiere und diese Frage nie für mich befriedigend beantwortet wurde,
war ich umso erfreuter gleich ein paar Tage darauf im Buch von Heinz Weidt
"Der Hund mit dem wir leben: Verhalten und Wesen" einen umfangreichen Bericht zu diesem Thema zu finden.
Also für alle die sich ebenfalls dafür interessieren, sei das folgende zum Nachdenken empfohlen: Nestwärme ist weit
mehr als nur ein behagliches Temperaturempfinden. Nestwärme erfüllt jenes Urbedürfnis der Geborgenheit, welches einem
Lebewesen ein angstfreies und ungehemmtes Einleben in seine Welt ermöglicht.
Eine normale Hündin bietet ihren Jungen all das an Brutfürsorge und Körperwärme, was dem Bedürfnis nach artgemäßer
Nestwärme entspricht, an. Ein Fehlen von Nestwärme würde nicht nur den natürlichen Entwicklungsverlauf hemmen, sondern
was noch schlimmer ist, es würde der Keim zur Lebensangst gelegt. Der Welpe wäre permanent unter Stress. Daher scheint
nichts notwendiger zu sein, als alles zu tun, um fehlende oder scheinbar unzureichende Nestwärme zu ersetzen oder zu
verbessern - meist mit Hilfe einer Rotlichtlampe.
Natürliche Nestwärme kann weder in ihrer psychischen und sozialen Wirkung (Sozialliegen, Körperkontakt etc.) noch in ihrer differenzierten Wärmewirkung (nur bei Wurfgeschwistern und Mutter) künstlich ersetzt werden!
Erhalten beispielsweise Welpen auf Grund von Ausfallserscheinungen der Hündin ihre "Nestwärme" von einer Rotlichtlampe
und ihre Nahrung abschluckgerecht vom Züchter (hier hat der Welpe nicht die Möglichkeit durch Anstrengung zum Erfolg
- zur Milch zu kommen), dann geht diesen Welpen nicht nur wirkliche Nestwärme ab, sondern, was mindestens genau so
wichtig ist, - angemessener und relativ milder Frühstress ! Das klingt jetzt als würde ich mir hier widersprechen;
da ich gerade geschrieben habe, dass fehlende Nestwärme schlecht ist, da dies permanenten Stress für den Welpen
bedeutet. Was hier jedoch gemeint ist wird nun beschrieben:
Die Rotlichtlampe über dem Wurflager gibt eine relativ großflächige und gleichmäßige Wärme ab, wodurch die Welpen es
nicht mehr nötig haben, irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, um in die wärmende Nähe ihrer Hündin oder ihre
Wurfgeschwister zu gelangen beziehungsweise dort verbleiben zu können. Solange sie blind sind, wären sie ohne weiteres
dazu nicht einmal in der Lage, denn ihr Temperaturempfinden wird durch die alles überstrahlende Wärmelampe irritiert.
Die Suche nach natürlicher Nestwärme durch Körperkontakt, das so genannte Kontaktliegen, wird deshalb häufig aufgegeben,
denn jeder einzelne Welpe kann sich dort wohl fühlen, wo er gerade liegt! Ohne jeglichen Stress und in aller Ruhe
können sie gedeihen. Und fürwahr, solche Welpen scheinen tatsächlich besser zu gedeihen als solche ohne "überoptimale
Nestwärme". Das ist auch leicht einzusehen, denn in diesem Fall ist keinerlei Anstrengung zu Erreichung guter und
warmer Plätze notwendig. Werden darüber hinaus die Welpen noch künstlich gefüttert, so ist außer dem Abschlucken auch
für den Nahrungserwerb kaum eine Anstrengung erforderlich. Die fehlenden Anstrengungen und der damit "eingesparte"
Energieaufwand führt deshalb bei den einzelnen Welpen zu einem "besonders" guten Gedeihen. Es kommt oftmals auch durch
ein verstärktes und beschleunigtes Wachstum zum Ausdruck. Künstliche Nestwärme und ihre Folgen:
Der sichtliche Erfolg scheint dem Anwender "künstlicher Nestwärme" und sonstiger Hilfsmittel Recht zu geben. Denn die
schwerwiegenden Nachteile solchen Handelns werden häufig erst später, also nicht beim Züchter, sondern beim Hundehalter
sichtbar und deshalb auch in ihrem ursächlichen Zusammenhang häufig nicht erkannt. So kann beispielsweise eine schnelle
und überhöhte Gewichtszunahme bei solchen "aufgepumpten" Welpen zu Fehlbildungen des Skeletts und in späteren Jahren zu
entsprechenden Beschwerden führen. Nicht selten wundert man sich auch, dass ausgewachsene und kräftig erscheinende
Hunde ungewöhnlich häufig immer und immer wieder einer tierärztlichen Betreuung bedürfen.
Es liegt auf der Hand, dass eine Überversorgung, eine Verweichlichung und damit eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit zur
Folge hat. Durch künstliche Nestwärme wird das biologische System der körpereigenen Temperaturregulation nicht
gefördert und deshalb während der entscheidenden Entwicklungsphase nicht richtig ausgebildet. Im späteren Leben wird
daher der Organismus bei Temperaturbelastungen nicht richtig reagieren können. Dadurch ist nicht nur sehr viel
schneller und häufiger mit Erkrankungen zu rechnen, sondern auch mit unerwünschten Verhaltensweisen. Gerade bei
Gebrauchshunden wird die so genannte "Härte" und damit das Wesen, also die Fähigkeit, mit bestimmten Stresssituationen
fertig zu werden, darunter leiden.
Stress und die drauffolgenden Reaktionen sind eine völlig normale, notwendige und deshalb wünschenswerte Einstellung des
Organismus auf die später folgenden äußerlichen Belastungen des Hundes.
Dieser Regelmechanismus bedarf seiner frühen Herausforderung, um sich entwickeln zu können und einer regelmäßigen
Beanspruchung, um leistungs- und belastungsfähig zu bleiben. Die damit erreichte Stressverträglichkeit könnte für
unseren Welpen auch als eine Art "Schutzimpfung gegen das feindliche Leben" verstanden werden. Vor allem führt die
Erfahrung, mit Belastungssituationen durch richtiges Verhalten fertig zu werden, zu einer im vornherein herabgesetzten
Stressempfindlichkeit. Auf diese Weise wird künftig alltäglichen Belastungssituationen der Charakter eines
schwerwiegenden Stresses genommen
Das bedeutet:
Die so genannten Reizschwellen sind bei natürlicher Nestwärme von Anfang an höher angelegt, denn der Organismus reagiert
eingeübtermaßen angemessener und gelassener auf die vorkommenden Reize wodurch es nicht so leicht zu einem schädigenden
Stress (Distress) kommen kann, dessen Wirkung von Krankheitsanfälligkeit bis zu regelrechten Organerkrankungen mit weit
reichenden Folgen führen kann.
Wenn man nun nach der richtigen Dosierung von Nestwärme und Stress fragt, so kann die Antwort nur lauten, dass die
Dosierung dann optimal ist, wenn natürliche Aufzuchtsbedingungen vorliegen. Verständlicherweise ist es hier nicht
möglich, auf alle weiteren denkbaren Einzel- und Sonderfälle eine halbwegs zutreffende und befriedigende Antwort zu
geben.