Die richtige Welpenauswahl

oder: Retriever ist nicht gleich Retriever

Duck Toller

Andrea Wanek

Was man als Welpenkäufer wissen sollte:

Bei meiner Tätigkeit als Ausbilder und Züchter ist mir in den letzten beiden Jahren, das Problem der fehlenden Passung zwischen Hundeführer und Hund aufgefallen. Daher habe ich mich entschlossen dazu ein paar Zeilen zu schreiben; und da mir gerade im Urlaub das Buch von Heinz Weidt in die Hände kam, in dem auch auf dieses Problem genauer eingegangen wird, habe ich hier zusammengefasst, was für jeden Welpeninteressenten von großer Bedeutung sein müsste:
Für viele, die sich für einen Retriever-Welpen interessieren, ist die Frage nach der Farbe, der Größe und des Geschlechts ausschlaggebend sich für den einen oder anderen Retriever zu entscheiden. Die Frage nach der Passung wird oft außer Acht gelassen.

Was versteht man unter PASSUNG ?

  1. Passt der Hund in die Lebensumstände seines Halters?
  2. Kann der Hund die körperlichen und psychischen Leistungen, die von seinem Halter erwartet werden erbringen?

Zu Punkt 1: Hier wäre zu klären, ob die Haltungs-, Zuwendungs- und Beschäftigungsansprüche des Hundes vom Hundeführer befriedigt werden können. Ein hoch veranlagter Jagdgebrauchshund wird in einer Hochhaussiedlung und mit kurzen Pinkelspaziergängen im Stadtpark nicht glücklich werden. Im Gegenteil, früher oder später werden seine Instinkte und Antriebe naturgemäß nach ihrer Befriedigung drängen. Durch Triebstau kann es zu einer Reihe unerwünschter Verhaltensauffälligkeiten kommen, z.B. Kläffen, Zerstörung von Inventar, Aggression, etc. Oft landen diese Tiere dann bei Verhaltenstherapeut, beim Züchter, in Tierheimen oder müssen sogar eingeschläfert werden, obwohl sie eigentlich nur ein Problem haben - sie können ihre Triebe nicht ausleben und der Hundeführer kann einen Triebabbau nicht herbeiführen. Auch die Frage, ob der Hundeführer überhaupt in der Lage ist (auf Grund seiner Kenntnisse und Möglichkeiten) so einen triebstarken Hund zu führen wäre bereits vor der Anschaffung zu klären.
Glauben Sie nicht, dass alles machbar ist - dass jeder Retriever sich jeder Situation ohne Probleme anpasst. Informieren Sie sich vor einem Welpenkauf genau beim Züchter über die Anforderungen, die an Sie gestellt werden, bevor Sie sich für einen Welpen entscheiden. Auch innerhalb eines Wurfes kann es da betreffend Aktivität große Unterschiede geben. Informieren Sie sich über die Leistungen der Elterntiere und für welche Zielgruppe der Züchter die Hunde züchtet

Zu Punkt 2: Hier wäre zu klären, (vor der Entscheidung über die Rasse) welche körperlichen und psychischen Leistungen der Welpenkäufer von seinem Hund erwartet. Manche Leistungen, die vom Hundeführer erwartet werden, wurden zwar vom gleichen Rassevertreter früherer Jahrzehnte ganz selbstverständlich erbracht, sind aber jetzt nicht mehr verfügbar, denn durch die veränderten Anforderungen wird ins Zuchtgeschehen eingegriffen, und bestimmte Leistungsmerkmale wurden mehr und mehr vernachlässigt wie z.B. beim Wandel vom Gebrauchshund zum Begleit- und Familienhund.
Die äußeren Merkmale und das Aussehen der Rassen hat sich zwar nur wenig verändert, während sich sehr wohl ein Wandel bei der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit bei manchen Rassevertretern bemerkbar macht. Auch bei Hunden gleicher Ursprungsrasse - wie die Retriever - werden für verschiedene Ansprüche unserer Gesellschaft Hunde gezüchtet, die diese Ansprüche erfüllen können und damit auch in ihrer genetischen Grundlage des Verhaltens verändert. Daher HUND ist nicht gleich HUND. Informieren Sie sich daher beim Züchter für welchen Zweck, die in die engere Wahl gezogenen Hunde tatsächlich gezüchtet werden, ob er seine Retriever als Familienhunde, Showhunde, Jagdhunde, Gebrauchshunde etc. züchtet. Es ist für mich immer schlimm auf den Ausbildungsplätzen hoch veranlagte, aber in ihrem Trieb unbefriedigte Hunde zu sehen. Beide - Hundeführer und Hund - leiden dann unter Ihrer Beziehung. Im Zweifelsfall wäre es mir noch lieber einen traurigen Hundeführer zu sehen, der mit seinem Hund nicht weiter kommt, da dessen Anlagen einfach nicht ausreichen - da ist wenigstens der Hund glücklich - es sei denn der Ehrgeiz kennt keine Grenzen. Außerdem besteht noch immer die Möglichkeit dem Hundeführer andere, vielleicht noch interessantere Beschäftigungsprogramme näher zu bringen und ihn dafür zu begeistern. Unsere Zuchtwarte haben die schwierige Aufgabe die Konflikte zwischen Anpassung und Bewahrung der (typischen) Merkmale unserer Rasse zu lösen. Eine Anpassung ist sicherlich notwendig, da sich die Umweltbedingungen in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben. Umgekehrt wollen wir aber auch nicht die typischen Retrievereigenschaften verlieren.
Keine leichte Aufgabe!