Schwerhörigkeit & Taubheit

Dr.med.vet. Petra Maritzen

Allgemeines

Das Gehör des Hundes reicht in einen weit höheren Frequenzbereich als beim Menschen. Ein Hund nimmt seine Umgebung mit allen Sinnen, also über Augen, Ohren und Nase wahr und ein Ausfall einer dieser Sinne beeinträchtigt ihn in seiner Lebensqualität nicht so wesentlich, da die verbleibenden Sinne ihm die zum Leben notwendigen Informationen liefern. Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens wird bei Hunden im Anfangsstadium daher meist überhaupt nicht bemerkt. Bei einem Fortschreiten des Prozesses wird er zu Beginn meist für „ungezogen“ gehalten, da er auf Rufen oder Pfeifen nicht kommt. Manche schwerhörigen oder tauben Hunde bellen unmotiviert und laut (Konfliktverhalten). Tiere mit erworbener Taubheit (z.B. im fortgeschrittenen Alter) kommen meist mit ihrer Behinderung problemlos zurecht.

Ursachen

Als Ursachen kommen Störungen der Schallleitung (konduktive Taubheit) und/oder der Schallempfindung (sensorineurale Taubheit) sowie direkte Schädigungen des Labyrinthes bei Schädelfrakturen und heftigen Schlag- oder Schalleinwirkungen in Frage. Schallleitungsstörungen sind peripher bedingt (z.B. Verschmutzungen des äußeren Gehörgangs, Otitis externa/media/interna, Trommelfellperforationen). Schallempfindungsstörungen (Schädigung von Cochlea und Nervus vestibulocochlearis) können erworben (z.B. Altersschwerhörigkeit, Otitis interna, Tumoren, Hirnhautentzündung, bestimmte Medikamente) oder angeboren sein.

Die angeborene bzw. vererbte Taubheit tritt z.B. beim Dalmatiner, English Setter, Bull Terrier oder Dogo Argentino gehäuft auf. Es besteht ein Zusammenhang mit der weißen Farbe des Haarkleides. Nach der Geburt ist das Gehörorgan normal ausgebildet. In den ersten 6 – 8 Lebenswochen degenerieren Teile des Innenohres (Stria vascularis, Ductus cochlearis, Cortisches Organ). Eine angeborene Taubheit lässt sich daher bereits sehr früh erkennen.

Hörverluste durch sensorineurale Ursachen sind meist endgültig, da zerstörte Sinneszellen bei Säugetieren nicht regenerationsfähig sind.

Ein Hörverlust nach einem kurzen Knalltrauma ist dagegen meist reversibel.

Diagnose

Bei der Untersuchung des Hörvermögens werden in erster Linie „Hörtests“ eingesetzt. Das Ansprechen des Hundes durch den für ihn nicht sichtbaren Besitzer in verschiedenen Lautstärken wäre eine Möglichkeit. Man beobachtet die Reaktion des Tieres und schließt so auf sein Hörvermögen. Bei „normal“ hörenden Tieren gelingt dies auch meist problemlos. Taube Tiere stehen über ihre noch funktionierenden Sinne mit ihrer Umwelt in Kontakt, d.h. sie reagieren eventuell auf andere Reize wie z.B. auf Bewegungen der rufenden Person oder auf Vibrationen. Es ist daher zweckmäßig, dass der Hund die rufende Person nicht im Blickfeld hat!

Eine weitere und exakte Möglichkeit der Abklärung des Hörvermögens besteht in der Hirnstamm-Audiometrie. Diese Untersuchung wird in der Regel nur an größeren Tierkliniken angeboten. Bei dieser Untersuchung wird das Innenohr mittels Klick-Tönen in verschiedenen Lautstärken stimuliert. Die ausgelösten Nervenpotentiale laufen über bestimmte anatomische Stationen bis ins Gehirn. Über Hautelektroden werden diese Potentiale aufgezeichnet. Aus dem typischen Kurvenverlauf lässt sich nachweisen, ob der Hund hört oder nicht.

Eine Behinderung der Schallleitung (konduktive Taubheit) bei Otitis media oder interna, bei Trommelfellperforationen etc. kann durch bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert werden.

Therapie

Im Rahmen einer Therapie sind – wenn möglich, ursächliche Erkrankungen zu behandeln. Dies ist in der Regel bei Störungen der Schallleitung der Fall. Anders verhält es sich bei der angeborenen Taubheit bzw. der Altersschwerhörigkeit.

Die angeborene Taubheit kann durch züchterische Massnahmen eingeschränkt werden. Allerdings lassen sich Hunde sehr gut auf Handsignale trainieren oder mit Hilfe von blinkenden Lichtquellen leiten. Es ist nur der Wille, den Zusatzaufwand auf sich zu nehmen, sowie etwas Geduld seitens des Besitzers nötig, denn ein tauber Hund ist in seiner Lebensqualität kaum beeinträchtigt, vor allem hat er deshalb keine reduzierte Gehirnleistung. Seh- und vor allem Geruchssinn helfen ihm, auch ohne Gehör durch seinen Hundealltag zu kommen!